Beziehungsstörungen oder
Störungen, welche sich in der zwischenmenschlichen Begegnung (z.B. Partnerschaften, Ehe, Dating, Arbeitsbeziehungen) mit anderen Menschen zeigen.
In den Leitlinien der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) gelten folgende allgemeine Kriterien für Persönlichkeitsstörungen:
Klinisch wichtige, meist länger anhaltende Zustandsbilder und Verhaltensmuster.
Ausdruck des charakteristischen, individuellen Lebensstils, des Verhältnisses zur eigenen Person und zu anderen Menschen.
Tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigen.
Deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in den Beziehungen zu anderen.
Verhaltensmuster meistens stabil und beziehen sich auf vielfältige Bereiche des Verhaltens und der psychologischen Funktionen.
Meist persönliches Leiden und gestörte soziale Funktionsfähigkeit.
Welche Persönlichkeitsstörungen gibt es und haben sie Gemeinsamkeiten?
Gemäß DSM-V kann man Persönlichkeitsstörungen in drei Cluster einordnen. In jedem der drei Cluster befinden sich Persönlichkeitsstörungen mit zumindest zum Teil ähnlichen Charakteristika:
Cluster A („Seltsam-Exzentrisch“)
Personen mit einer Cluster A Persönlichkeitsstörung zeigen vorwiegend sonderbare und exzentrische Persönlichkeits-/und Verhaltenszüge. Zu den Cluster-A-Persönlichkeitsstörungen zählen die paranoide-, die schizoide und die schizotype Persönlichkeitsstörung.
Cluster B („Dramatisch-Emotional-Erratisch“)
Personen mit Cluster-B-Persönlichkeitsstörung zeichnen sich durch Dramatik, Emotionalität und ein erratisches (=unkalkulierbares und teils unnachvollziehbar sprunghaft-impulsives) zwischenmenschliches Verhalten aus. Zu den Cluster B Persönlichkeitsstörungen gehören die Borderline-Störung, die histrionische-, die narzisstische- sowie die dissoziale (antisoziale) Persönlichkeitsstörung.
Cluster C („ängstlich-furchtvoll“)
Personen mit einer Cluster-C-Persönlichkeitsstörung sind hingegen besonders ängstlich, furchtvoll oder zwanghaft. Zu den Cluster-C-Persönlichkeitsstörungen zählen die selbstunsicher-vermeidende, die abhängige (dependente) und die zwanghafte Persönlichkeitsstörung.
Wie häufig kommen Persönlichkeitsstörungen vor?
Aus epidemiologischen Prävalenzstudien weiß man, dass die Anzahl der persönlichkeitsgestörten Personen in etwa für Europa bei 8 bis 17 % in der allgemeinen erwachsenen Bevölkerung liegt, in den USA in etwa bei 9-21%. Persönlichkeitsstörungen und die mit ihnen oft einhergehenden toxischen zwischenmenschlichen Beziehungen sind somit für viele Menschen von Relevanz: entweder weil man direkt selbst durch Persönlichkeitsstörungen betroffen ist oder weil man sich indirekt als Angehöriger (z.B. Mutter einer Tochter mit Borderline- Persönlichkeitsstörung) oder Beziehungspartner (z.B. Ehefrau eines Narzissten) mit Personen mit Persönlichkeitsstörungen konfrontiert sieht.
Behandlung:
Eine medikamentöse Behandlung von Patienten mit Persönlichkeitsstörung erscheint maximal unterstützend als sinnvoll, im Sinne einer Monotherapie erscheint die medikamentöse Behandlung aber fast immer als aussichtslos im Hinblick auf hinreichende Behandlungserfolge.
Da Persönlichkeitsstörungen als hochgradig ich-synthon (= als Teil des eigenen Ichs) erlebt werden und von den Patienten somit auch meist selbst gar nicht erkannt werden, kommen Patienten mit Persönlichkeitsstörung (Ausnahme Borderline-Störung) regelmäßig nicht wegen ihren Persönlichkeitsstörungen selbst in die psychologische Praxis, sondern wegen anderer komorbider psychologischer Probleme, welche jedoch regelmäßig ausschließlich Begleit- oder Folgeprobleme der Persönlichkeitsstörung selbst sind z.B. Patient mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung stellt sich aufgrund jahrelangen exzessiven beruflichen Leistungsstrebens mit Burn-Out-Symptomatik vor, Patientin mit histrionischer Persönlichkeitsstörung wird vom Lebensgefährten wegen pathologischer Eifersucht in die Praxis begleitet (etc.). Optimalerweise sollte hier in Abstimmung mit dem Patienten sowohl die sekundäre Folgeproblematik (z.B. Burn-Out-Symptome, Eifersucht) als auch die Persönlichkeitsstörung selbst bearbeitet werden, da ansonsten nicht zu erwarten ist, dass vollständige und langfristige Behandlungserfolge erzielt werden können.
Entgegen der Ansicht mancher Therapeuten sind Persönlichkeitsstörungen (mit wenigen Ausnahmen wie die antisoziale Persönlichkeitsstörung oder die psychopathische Persönlichkeitsausprägung) unter konsequentem Einsatz der richtigen psychologischen Therapiemittel und bei guter therapeutischer Beziehung als bereits in einer mittelfristigen Zeitdauer (und nicht erst bei längerfristiger Therapie) als gut behandelbar, anzusehen. Dies entspricht auch neueren wissenschaftlichen Vorstellungen.
Ziel der Behandlung ist weiter nicht, die völlige Veränderung der Persönlichkeit der Person, sondern ausschließlich, die Reduktion jener Persönlichkeitsanteile, die für den Patienten zu hohen psychosozialen Kosten führen (z.B. hohe Kritikempfindlichkeit, hohe Ärger-Bereitschaft, Wunsch nach ständiger Kontrolle des Partners). Was nämlich dann für den Patienten selbst am Ende des psychologisch-therapeutischen Prozesses bleibt sind die Vorzüge seiner spezifischen Persönlichkeitsstruktur (z.B. ehrgeiziger Stil bei vorherigem Narzissmus, Fähigkeit andere für sich einnehmen zu können bei histrionischer Persönlichkeitsstruktur) ohne deren Nachteile. Im zwischenmenschlichen Bereich ergibt sich nach erfolgter Therapie weiter vermehrt die Möglichkeit aus toxischen Beziehungsstrukturen auszutreten und hin zu authentischeren zwischenmenschlichen Begegnungen zu gelangen.