Normale Angst ist grundsätzlich etwas Gewöhnliches und sie ist Teil des emotionalen Spektrums aller Menschen. Normale Angst hilft uns Bedrohungen in einer potentiell unsicheren Welt rasch zu erkennen und unterstützt uns dabei, gegenwärtige oder zukünftige Gefahren von uns abzuwenden und uns zu schützen. Das Erleben von normaler Angst bietet in diesem Sinne evolutionär-psychologisch betrachtet wichtige Vorteile für uns Menschen.
Krankhafte Angst unterscheidet sich jedoch von normaler Angst durch ihre Intensität, ihren zeitlichen Verlauf und ihre Unverhältnismäßigkeit zur Wirklichkeit (z.B. Unverhältnismäßigkeit zur angstauslösenden Situation); krankhafte Angst bietet daher evolutionär-psychologisch betrachtetet eben keinen adaptiven Zusatzwert (d.h. führt zu keiner Erhöhung der Reproduktionschancen, ermöglicht keinen höheren Zugang zu Ressourcen und verlängert auch nicht unsere Lebensdauer), sie macht uns nicht funktionaler in der Welt, sondern macht uns „dysfunktionaler“ (untergräbt kompetentes Verhalten und verschlechtert unsere Chancen in der Welt).
Angststörungen
Angststörungen im engeren Sinn stellen neben Suchterkrankungen und Depressionen leider eine der häufigsten psychischen Störungsbilder dar. Die Lebenszeitprävalenz (=Wahrscheinlichkeit, dass man im Laufe seines Lebens eine Angsterkrankung entwickelt) liegt ca. bei 14%, dabei sind die generalisierte Angststörung und die Agoraphobie (mit und ohne Panikstörung) mit je ca. 6% die häufigsten Unterformen von Angsterkrankungen.
Bei den Angsterkrankungen unterscheidet man insbesondere Angststörungen, welche
„nicht-phobisch“ sind, also nicht auf bestimmte Umgebungssituationen oder spezifische Objekte bezogen sind (z.B. Panikstörung, generalisierte Angststörung)
und
„phobische“ Angststörungen, welche ausschließlich oder überwiegend durch spezifische Situationen (z.B. Sprechen vor Publikum, Angst vor öffentlichen Plätzen, Zahnarztbehandlung) oder spezifische Tiere/Objekte (z.B. Spinnen, Spritzen, Blut) hervorgerufen werden. Die phobisch-angstbesetzten Situationen oder Tiere/Objekte, werden in Folge üblicherweise gemieden oder nur „unter großer Angst“ ertragen (z.B. Agoraphobie, soziale Phobie, isolierte/ spezifische Phobien).
Situationsunabhängige („nicht-phobische“)- Angststörungen:
Panikstörung:
Kennzeichen einer Panikstörung, sind wiederkehrende schwere und abrupte Angstanfälle (= Panikattacken), die ohne vom Patienten klar identifizierbarer Ursache auftreten und zudem situationsunabhängig sind (= nicht an spezifische Situationen gebunden sind). Typisch für Panikanfälle ist das plötzliche Auftreten und der rasche Anstieg der Angst hin zu einer sehr hohen Angstempfindung. Die Patienten erleben beim Panikanfall verschiedene körperliche Symptome (wie z.B. Schwindelgefühle, erhöhte Herzfrequenz, Atembeschwerden verbunden mit Erstickungsgefühlen, Brustschmerzen, Hitze- oder Kältegefühle, Parästhesien etc.).
Das Denken ist zeitgleich fast immer beherrscht von der Befürchtung unmittelbar vor einem Herzinfarkt, Schlaganfall oder dem Tod selbst zu stehen, oft befürchten Betroffene auch den „Verstand zu verlieren“ oder „verrückt zu werden“. Diese Befürchtungen werden während der Angstanfälle als mit hoher Gewissheit verbunden erlebt. Ein einzelner Anfall dauert meist nur wenige Minuten und hält selten länger als 20-30 Minuten an, teils wird während des Anfalls die Umwelt oder die eigene Person als „unwirklich“ oder „surreal“ erlebt. Einer einzelnen Panikattacke folgt meist die beständige Angst vor einer weiteren Attacke.
Bereits nach einem erstmaligen Erleben einer Panikattacke können Patienten beginnen, Verhaltensweisen (z.B. Tätigkeiten, die den Herzschlag oder die Atmung zu rasch erhöhen) zu reduzieren oder Situationen zu vermeiden, bei denen der Panikanfall zufälligerweise das erste Mal auftrat (z.B. Autofahren, Einkaufen gehen, Fahrstuhl fahren, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren), so dass sich z.B. oft aus einer Panikstörung rasch eine das Verhalten der Patienten noch viel stärker einschränkende Agoraphobie (Angst das Haus zu verlassen, Angst vor öffentlichen Plätzen oder der Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln) entwickeln kann.
Generalisierte Angststörung:
Kennzeichen dieser Angststörung ist „ein ständiges Sorgenmachen“, welches nicht auf bestimmte Situationen beschränkt ist. Die Sorgen der Betroffenen beziehen sich stattdessen auf z.B. diffuse (gegenwärtige oder zukünftige) Bedrohungen des eigenen Lebens, der eigenen Gesundheit oder der eigenen wirtschaftlichen Existenz durch Unfall, Krankheit, Tod oder sonstige ungünstige Schicksalsfügungen (z.B. Veränderung der wirtschaftlichen Lage).
Oft beziehen sich die Befürchtungen aber nicht nur auf den eigenen Lebensbereich, sondern betreffen in gleichem- oder noch stärkerem Ausmaß die Furcht und Besorgnis, um nahe Angehörige (wie z.B. die eigenen Kinder). Wesentliches Merkmal dieser Angststörung ist, dass immer wieder gedanklich neue bedrohliche Sachverhalte („vor dem geistigen Auge“) erschaffen werden, von welchen angenommen wird, dass sie bald eintreten werden (und welche die Betroffenen abzuwenden versuchen), so dass sich die Betroffenen durch ihre eigenen Gedanken immer wieder erneut in Furcht und Unruhe versetzen („Angstkreislauf“).
Situations-/ objektbezogene („phobische“) Angststörungen:
Agoraphobie:
Mit der Bezeichnung Agoraphobie wird eine Gruppe von zusammenhängenden Phobien beschrieben, bei der die betroffenen Personen, Angst haben, das eigene Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, sich in eine Menschenmenge oder auf öffentliche Plätze zu begeben oder allein in öffentlichen Verkehrsmitteln (wie Zügen, Flugzeugen oder Bussen) zu reisen. Das Fehlen eines sofort nutzbaren Fluchtweges (meist zurück ins eigene „als sicher erlebte Zuhause“) ist eines der Kernsymptome der Agoraphobie.
Auch wenn der Schweregrad der Angst und das Ausmaß des Vermeidungsverhaltens in Bezug auf die angstbesetzten („phobischen“) Situationen bei der Agoraphobie variieren, kann der Schweregrad dieser Phobie so weit reichen, dass Patienten den eigenen Wohnbereich gar nicht mehr oder zumindest nicht mehr ohne größere Schwierigkeit verlassen. Die Gedanken der Patienten in den phobischen Situationen drehen sich oft inhaltlich z.B. darum „in einer fremden Situation allein und ohne Unterstützung zu sein“, „in der Öffentlichkeit zu kollabieren und hilflos zu sein“ oder darum „in der Öffentlichkeit etwas Peinliches zu tun“ (z.B. aufgrund der Unmöglichkeit an einem Ort rasch zu einem WC zu kommen, vor Anderen „einzukoten oder einzunässen“). Diese Ängste führen ohne Behandlung mit der Zeit zu den oben beschriebenen immer weiter ausufernden situativen Vermeidungstendenzen.
Soziale Phobie:
Bei sozialen Phobien konzentrieren sich die Ängste auf die prüfende Bewertung durch andere Menschen in sozialen Situationen, was schließlich zur Vermeidung der betreffenden sozialen Situation führt. Gedanklich können die Ängste auf bestimmte soziale Situationen beschränkt sein wie z.B. Dating, Telefonieren, Sprechen-, Essen- und Trinken vor anderen Menschen, sie können aber auch unbestimmt und nicht an bestimmte Tätigkeiten gebunden sein, dann treten sie oft fast in allen zwischenmenschlichen Situationen außerhalb des eigenen engeren Familien- oder Freundeskreises auf (d.h. in fast allen Situationen an denen überwiegend unbekannte Personen beteiligt sind).
Die Angst-Gedanken können sich dabei inhaltlich auf als peinlich erlebte körperliche und mentale Reaktionen beziehen, welche die Betroffenen gerne vor Anderen vermeiden würden wie z.B. Zittern (mit der Stimme oder der Hand bei einem Referat), Stottern, Sich-Versprechen, Erröten beim Sprechen vor anderen Menschen, Schwitzen, Kurzatmigkeit oder „den roten Faden beim Reden Verlieren“ (z.B. „exzessive Schüchternheit“ bei einem Date oder Vorstellungsgespräch). Eine Gemeinsamkeit bei Personen mit sozialer Phobie ist oft ein gering ausgeprägtes Selbstwertgefühl, ein hohes Maß an Selbstaufmerksamkeit in Bezug auf eigene innere körperlich-seelische Prozesse (z.B. erhöhte Wahrnehmung auch kleinerer körperlicher Veränderungen wie leicht erhöhtem Herzschlag) und ein Unverständnis, dass letztlich die eigenen Gedanken und das eigene Vermeidungsverhalten sozialer Situationen die eigentlichen Ursachen für die immer stärker werdenden körperlichen und mentalen Angstreaktionen in sozialen Situationen sind.
Spezifische Phobien:
sind auf bestimmte einzelne phobische Situationen oder Objekte bezogen (wie z.B. Angst vor engen und geschlossenen Räumen, Angst vor Spinnen, Vögeln, Blut, Spritzen, Zahnarztbesuchen etc.). In dem Maß wie die betreffende Person, die gefürchteten Situationen effektiv vermeiden kann und damit keine signifikante Störung der normalen Lebensabläufe verbunden ist, können diese Phobien oft jahrzehntelang oder auch ein Leben lang bestehen bleiben (da keine Behandlung aufgesucht wird).
Falls Sie sich beim Durchlesen der oben beschriebenen Störungsbilder selbst erkannt haben, ist Ihnen vermutlich aus den Ausführungen aber auch dem eigenen Leben bewusst, dass es sich bei Angststörungen, um teils sehr gravierende psychische Störungsbilder handeln kann. Denn jede der oben beschriebenen Angststörungen kann die Lebensqualität Betroffener dramatisch absenken. Fast jede Angststörung trägt in sich das Potential Depressionen zu fördern, ihre körperliche Gesundheit zu beeinträchtigen, ihre soziale Wirksamkeit in der Welt zu reduzieren und fast alle ihre Beziehungen mit anderen Menschen zu sabotieren. Zusätzlich kann jede Angststörung auf ihre ganz eigene- und spezifische Art ihr Leben einschränken.
Eine Panikstörung, kann sie dazu führen, dass sie sich selbst vor normalen Vorgängen ihres Körpers wie Atmen oder ihrem Herzschlag oder raschen Bewegungen zu fürchten beginnen. Spezifische Phobien können ihnen die Möglichkeit nehmen sich in der Natur aufzuhalten, Bergsteigen zu gehen oder selbst simple ärztliche Kontrolluntersuchen oder Routinebehandlungen (beim Zahnarzt oder Blutabnahmen beim Hausarzt etc.) durchführen zu lassen. Eine generalisierte Angststörung kann ihren Verstand (mit trüben Wolken vergleichbar hinter denen sich keine Sonne zeigen kann) ständig mit immer neuen Sorgen bedeckt halten, so dass sie sich nie entspannen können oder auch nur einzelne Lichtblicke in ihrem Leben entdecken können.
Eine soziale Phobie kann sie vor anderen Menschen vollkommen „lähmen“ bzw. „dumm dastehen lassen“, kann sie beim Versuch ihren Ängsten durch den Einsatz psychotroper angstdämpfender Mittel (Beruhigungsmittel, Alkohol, Cannabis) „Herr zu werden“ in substanzgebundene Abhängigkeiten führen und sie am Ende sogar „einsam sterben lassen“. Wie man es auch immer sieht, die Kosten für Angststörungen sind beträchtlich. Sich selbst von ihnen zu befreien, kann eines der größten Geschenke sein, welches Sie sich in ihrem Leben selbst machen könnten.
Sollten Teile der oben beschriebenen Probleme auf Sie zutreffen bzw. haben Sie das Gefühl, dass sie selbst mit ihren angstbezogenen Problemen nicht weiterkommen, sollten sie sich unbedingt professionelle psychologische Unterstützung suchen. Insbesondere kognitiv-verhaltenstherapeutische Maßnahme haben sich in wissenschaftlichen Studien für die Behandlung von Angststörungen als eine der besten, wenn nicht die beste psychologisch-therapeutische Behandlungsmethode erwiesen. In meinen Gesundheitspraxen ergänze ich kognitiv-verhaltenstherapeutische psychologische Mittel zudem zum Zwecke noch höherer psychologisch-therapeutischer Effektivität mit dem Einsatz positiv-psychologischer und hypnotischer Techniken und konnte so in den letzten Jahren schon unzählige Patienten erfolgreich dabei unterstützen, die „Fesseln ihrer Angst“ abzuwerfen und in ein neues Leben (mit unfassbar vielen neuen sozialen Möglichkeiten) zu starten.